Drei
Künstlerinnen und zwei Künstler hatte die Katholische Kirche eingeladen, für
die Elisabethkirche in Kassel 2022 eine künstlerische Idee zu entwickeln und in
einer öffentlichen Veranstaltung vorzustellen. Die Präsentation der fünf Ideen
fand coronabedingt als Livestream im März 2021 statt. Jetzt hat sich die
Vorbereitungsgruppe der Ausstellung im documenta-Sommer 2022 für den Entwurf „Poem
of Pearls“ von Birthe Blauth entschieden.
„Birthe Blauth begeistert mit ihrem
Vorschlag, der uns den Raum der Elisabethkirche neu wahrnehmen lässt. Mit ihren
künstlerischen Eingriffen löst sie eine Fülle an inneren Bildern und Gedanken
aus, die tief in die Tradition christlicher Bildwelten führen, und zugleich
eine Reise zum eigenen Selbst ermöglichen.“, begründet Martin Matl,
Diözesanbaumeister und -konservator des Bistums Fulda, die Entscheidung für die
Münchener Künstlerin.
Birthe Blauth freut sich sehr darauf, ihr Konzept für die Elisabethkirche zu verwirklichen: „Ich arbeite gerne mit der Architektur und mit der Bedeutung und Funktion eines Raums. In der Elisabethkirche ist durch die seitliche Öffnung der Kirche in Gartenhöfe und die Funktion als Sakralraum der Keim des Paradiesgartens für mich schon vorhanden.“
„Poem of Pearls“ heißt die Installation,
die Vorplatz, Haupt- und Seitenschiffe umfasst. Auf dem Vorplatz wird ein
Labyrinth aufgemalt, das zum Abgehen einlädt. Eine Übergangszone im
Eingangsbereich führt vom Lärm des Friedrichsplatzes in die Stille der
Elisabethkirche. In diesem Zwischenraum werden die Besucher/innen gebeten, sich
die Schuhe auszuziehen oder die zur Verfügung stehenden Schutzüberzieher zu
nutzen. Denn ein Betreten der Kirche mit Straßenschuhen in der Zeit von „Poem
of Pearls“ ist nicht angesagt: Haupt- und Seitenschiffe sind dann komplett mit
Kunstrasen ausgelegt. Auch die derzeit verwendeten Stühle werden ausgelagert.
Wer einen Stuhl möchte, kann ihn sich aus dem Übergangsbereich in die Kirche mitnehmen.
Im weiten freien Raum steht eine Schale mit Perlen. Birthe Blauth: „ Die Besucherinnen und Besucher können vom Labyrinth auf dem Vorplatz bis in den Paradiesgarten mit der Perlenschale eine spirituelle Reise unternehmen. Als Symbol und Erinnerung nehmen sie eine Perle mit nach Hause. Poem of Pearls lädt zum Nachdenken ein, zum Auf-dem-Weg-sein und zum Genießen mit allen Sinnen.“ Die Perlen geben der Installation den Namen „Poem of Pearls“. „Poem meint nicht schöne Verse“, erläutert Projektleiter Christoph Baumanns, „sondern wie in der Redensart ‚etwas ist ein Gedicht‘, also etwas Außergewöhnliches wird in seiner Eigenart überaus deutlich."
Birthe Blauth promovierte an der LMU München in Sinologie, Ethnolgie und Kunstgeschichte mit dem Schwerpunkt Religionsethnologie. Seit 2003 arbeitet sie als Künstlerin. Sie beschäftigt sich mit den Mustern und Gesetzen, die unsere Wahrnehmung bestimmen, mit denen wir unser Umfeld strukturieren und unsere Kultur entwickeln. Sie hat für ihre Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen bekommen, zum Beispiel den HausderKunstPreis oder den Dr. Theobald-Simon Preis. Sie war Residentin am renommierten International Studio & Curatorial Program in Brooklyn / New York. Seit Jahren ist sie in zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten.
„Birthe Blauth hat mit ihrem Vorschlag viel Zuspruch in unserer Kirchengemeinde gefunden“, berichtet Georg Klein, Sprecher des Pfarrgemeinderates der Pfarrei St. Elisabeth, zu deren vier Kirchorten die Elisabethkirche gehört: „Wir freuen uns auf diesen radikalen und zugleich poetischen Eingriff in den Kirchenraum. Die neue Raumerfahrung geht in wunderbarer Weise auf die Architektur ein, bei der der Architekt bewusst neben dem damals modernen Baumaterial Beton mit Glas und Ziegelsteinen eine Ergänzung durch zwei grüne Seitenhöfe geschaffen hat.“
Die Kunsthistorikerin Michaela Tünnemann ist Mitglied der Vorbereitungsgruppe und wird die Führungen zu Poem of Pearls mitgestalten. Ihr gefällt an der Kunst, dass sie Verborgenes durch Verfremdung sichtbar macht: „Birthe Blauths künstlerische Idee wird den Kirchenraum stark verändern. Dadurch entstehen Gedanken, Gefühle, Begegnungen und Irritationen, die wir bei den Führungen in aller Freiheit und Offenheit thematisieren wollen.“
Für Pastoralreferent Stefan Ahr vom Dekanatsteam Kassel-Hofgeismar unterstreicht Birthe Blauths Installation den einladenden Charakter der Elisabethkirche am Friedrichsplatz: „Im Trubel der documenta ist die Elisabethkirche, wie bei den vorherigen Ausstellungen, ein Raum der Stille und Erholung - offen und einladend unterschiedslos für alle Besucher/innen. Diese Gastfreundlichkeit gehört zu den Grundvollzügen von Kirche.“
Wie schon
2002, 2007, 2012 und 2017 nehmen das Bistum Fulda und die Katholische Kirche
Kassel auch 2022 die documenta-Zeit als Gelegenheit wahr, einen eigenen Raum
für Gegenwartskunst zu öffnen: die Elisabethkirche am Friedrichsplatz. 2012
sorgte die Turmfigur von Stephan Balkenhol für Aufsehen und eine heftige
Debatte in Kassel. Zu Anne Gathmanns Installation „Statik der Resonanz“, einem
Band aus mehr als viertausend Aluminiumelementen, das in Form einer Kurve das
ganze Kirchenschiff durchmaß, kamen rund 58.000 Besucher/innen.
Für Diözesanbaumeister Martin Matl sind die Bilder und Räume der Kirche stets mehr als eine bloße Erfüllung von zugewiesenen Funktionen: „Das Bistum Fulda engagiert sich für den Dialog zwischen Kirche und Kunst, weil dort Formen und Bilder entstehen können, die aus alltäglichen Zwängen hinausführen und die Weite des Daseins erschließen. Die Kunst der Gegenwart kann Diskussionen und Erfahrungen anstoßen, die wir in Kirche und Gesellschaft immer neu brauchen.“ PGR-Sprecher Georg Klein ist überzeugt: „Poem of Pearls wird im documenta-Sommer nicht nur den Raum der Elisabethkirche verändern, sondern auch die Menschen, die ihn besuchen.“
Die bisherigen
Ausstellungen in der Elisabethkirche:
2002 zeigte Thomas Virnich plastische Arbeiten im Kontext des
Passionszyklus von Johann Heinrich Tischbein der Ältere.
2007 war "com//PASSION",
Leitbild der Heiligen Elisabeth, Thema der Installation mit Licht/Sonnenlicht,
Projektion, Fotografie und Klang von Katarina Veldhues und Gottfried
Schumacher.
2012 prägte Stephan Balkenhol mit
seinen Skulpturen und Reliefs den Kirchenraum und löste durch die Skulptur
„Mann im Turm“ eine Kontroverse um den anthropozentrischen Charakter der Gegenwartskunst
aus.
2017 durchmaß Anne Gathmann mit
ihrer Installation „Statik der Resonanz“, einem Band aus über viertausend
Aluminiumelementen in Form einer Kurve, das ganze Kirchenschiff.
Die dokKIK-Vorbereitungsgruppe:
Stefan Ahr (Pastoralreferent Dekanat Kassel-Hofgeismar)
Dr. Marco Bonacker (Leiter komm. Erwachsenenbildung Bistum Fulda)
Dechant Martin Gies (Dekanat Kassel-Hofgeismar)
Meinrad Ladleif (Architekt, Künstler)
Marcus Leitschuh (Pfarrei St. Elisabeth)
Martin Matl (Diözesanbaumeister)
Rana Matloub, (Künstlerin, Kunstdozentin Uni Erfurt)
Dr. Burghard Preusler (Diözesanbaumeister i.R.)
Birgitta Schwansee (Künstlerin, Kommunikationsdesignerin)
Michaela Tünnemann (Katholische Hochschulgemeinde Kassel-Witzenhausen, Kunsthistorikerin)
Als Gästin: Beatrix Ahr (Dipl. theol., Pastoralreferentin, Mentorin Uni Kassel)
Christoph Baumanns (Projektleiter)
Christoph Baumanns
Projektleiter, Leitung Kommunikation
Elisabethkirche, Friedrichsplatz 13, 34117 Kassel
Geplante Eröffnung:
Pfingstsamstag, 4. Juni 202, 15:00 Uhr
Geplanter Abschluss: Sonntag, 2. Oktober 2022
Geplante Öffnungszeiten: mo-sa: 11 bis 20 Uhr, so: 12 bis 20 Uhr
Begleitprogramm in Planung: u.a. Vorträge, Gespräche und Konzerte
Eintritt zur Ausstellung und zu allen Begleitveranstaltungen: frei.
© Bistum Fulda / Kunst - Raum - Kirche